Bevor es mit dem dritten Tag unserer Produktion los geht, möchte ich noch vorab etwas über das Team der Produktion sprechen. Und zwar ist sicherlich schon aufgefallen, dass auf den vorherigen beiden Tagen Marc Gerst nicht zu sehen war. Und nein, er hatte nicht die Fotos gemacht. Marc ist nicht dabei. Der Grund ist aber nichts Schlimmes. Wir haben gerade einfach so viele Jobs und Produktionen, dass wir diese hier nicht zusammen machen konnten. Es ging einfach nicht. Wir waren vorher noch erst kürzlich 14 Tage in der Karibik, danach haben wir direkt einen Job in London, gefolgt vom FotoFestival in Zingst und einer Produktion im April in Paris. Ich selbst war die letzten 3 Monate genau 2 Wochen zuhause.
Dafür habe ich zwei extrem fähige Kerle mit dabei. Daniel war vor langer Zeit bei uns Praktikant und ist gelernter Journalist mit eigener Firma für Web, Seo, Internet und Fotografie…
… Dima ist fertig studierter Filmer von der Filmhochschule und hat einen Teil seines Jahresurlaubs für unseren Trip in die Hochalpen aufgegeben.
Also insgesamt mehr als würdiger Ersatz für Marc… wobei er hier schon vermisst wird. Aber dafür geht es in 3 Tagen schon wieder mit Marc nach London.
Tag drei fängt viel zu früh an. Mal wieder leiden wir unter dem Fotografen-Licht-Syndrom. Vor Sonnenaufgang an der Location, nach Sonnenuntergang noch immer beim Zusammenpacken. Aber wer schönes Licht will, der muss eben auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und das Licht nach ausgedehntem Frühstück um 10 Uhr ist leider alles andere als ideal.
Für unseren dritten Tag hatten wir zwei weitere Pässe geplant, wollten aber vorab den aktuellen Standort nochmals zum wirklichen Sonnenaufgang nutzen und erst über die Mittagszeit die Location wechseln. Wir befinden uns gerade kurz vor der italienischen Grenze und haben zwei Stunden zum nächsten Pass in der Nähe von St. Moritz, ebenfalls wieder am italienischen Grenzgebiet, dafür eben etwas weiter westlich.
Zur Zeit gibt es nur circa. 5-7 offene Hochpassstraßen. Alle anderen Pässe sind noch wegen Schneefalls und Winterpause geschlossen. Sooooo viel Auswahl haben wir also leider nicht bei Pässen über 2000m.
Wir haben die Nacht in einem etwas schäbigen Hotel auf dem Pass verbracht. Um zu vermeiden, dass wir tausende von Kurven sinnlos hoch und runter fahren müssen, haben wir eine Art uralte Jugendherberge in Hotelform gesucht. Internet gab es nur in homöopathischen Dosen und die Betten waren wirklich uralt. Ich schätze noch aus der Zeit vor Gründung der schweizerischen Eidgenossenschaft :-).
Übrigens ist es sehr spannend, dass wir bereits am dritten Tag darauf freiwillig verzichten mit dem Auto zu fahren und lieber ein schäbiges Hotel als unnötige Kurven auf dem Pass in Kauf nehmen. Das hat nix damit zu tun, dass das Fahren keinen Spaß macht sondern ist begründet durch unser Schlafdefizit.
Ein bisschen schwierig ist die Situation für uns aufgrund der Hochalpen. Normalerweise kann man den Sonnenaufgang sehr genau voraussagen. Aber nicht in den Alpen. Dort gibt es Stellen am Pass die direkt Sonne haben und andere Stellen haben weitere 2h noch immer Schatten.
Daher nutzen wir die Sonnen-Planungsapp wann immer möglich. Wir machen extrem viele kurze Stops während des Tages und planen den Folgetag. Das sind dann auch immer die Dinge, die im Gesamten extrem viel Zeit kosten. Die Tage verfliegen förmlich und wir vergessen während des Tages sogar Essen und Trinken. Irgendwie ist da halt keine Zeit für.
Langsam haben wir auch einige tolle Workflows gefunden. So haben wir einen Sitz im Bus für das Gimbal reserviert. Die komplette Kamera fährt auf dem Gimbal immer auf dem Rücksitz mit. Griffbereit und sofort filmfertig. Die Erfahrung hat nämlich gezeigt, dass der Neuaufbau vor Ort zu viel Zeit kostet und wir einfach ein zu hohes Pensum haben.
Angefangen haben wir den Tag ganz oben auf dem Pass. Dort hat man Ruhe und zu sehr früher Zeit kann man viele Dinge filmen und fotografieren, die später am Tag nicht möglich sind.
Dafür war es heute morgen so verdammt kalt, dass wir tatsächlich drei Stunden geschlottert haben.
Und übrigens… die anderen haben genauso gefroren, nur habe ich den Anstand ihr Mimimi nicht auch noch zu fotografieren :-).
Es gab eben handfeste Minusgrade und ohne die Sonne war es gefühlt doppelt so kalt. Dazu kommen noch eisige Winde und wie immer bei Foto- und Videoproduktionen haufenweise WARTEN WARTEN WARTEN.
Dima ist der einzige von uns, der halbwegs warme Kleidung dabei hat 🙂 Ich selbst war so idiotisch und habe mit halbwegs gutem Osterwetter gerechnet, aber Minusgrade und eisiger Wind, das ging etwas über unsere Vorstellung hinaus.
Wir nutzen die frühe Sonne für einige riskante Aufnahmen. So filmten wir z.B. mit 150mm aus dem fahrenden Auto und von der Straße selbst aus. Riskant nicht für unser leibliches Wohl, sondern vielmehr für die Sicherheit der einzelnen Aufnahmen. Bei 150mm hat man eben wenig Spielraum für Fokus und das Verwacklungsrisiko erhöht sich massiv. Zudem ist es ordentlich schwer einen 150mm Shot auf ein 100km schnellen Auto zu halten.
Das übliche Drohnengefliege und “gewöhnliche” Fotografiere gab es auch wieder. Und erst gegen 12 Uhr ging es weiter auf die Piste. Wir verließen den Lukmanierpass in Richtung St. Moritz zum Julierpass. Um St. Moritz herum befinden sich drei aktuell offene Pässe in oder über 2000m Höhe.
Auf dem Weg dorthin nutze ich die Zeit um den täglichen Bericht zu schreiben. Im Auto in den Schweizer Hochalpen ist das keine einfache Sache und geht ziemlich auf den Magen 🙂 aber hat ja doch alles geklappt.
Auf dem Weg zum Pass fanden wir einige kleine, interessante Spots und hielten jeweils oft an um dortige Lichtverhältnisse zu nutzen.
Das sollte man sich jetzt aber nicht so vorstellen, dass wir kurz raus hüpfen und ein Foto machen. Jeder Stop läuft relativ einheitlich ab.
- Anhalten und sicheren Halteplatz suchen, was nicht immer so einfach ist.
- Das grundsätzliche Motiv besprechen und mit Kamera vorfotografieren.
- Auto parken und zum Motiv arrangieren. Das kann schon mal 10 Minuten hin und her fahren bedeuten und viel Walkie-Talkie Arbeit.
- Aufbau Kamera und Licht.
- Graufilter, Polfilter etc… finden und verschiedene Motivschnitte probieren.
- Lichtreflexionen optimieren.
- Einpacken.
- Weiterfahren.
Und es sind oftmals Kleinigkeiten, die den großen Unterschied machen. Z.B. beim Thema Polfilter. Der nachfolgende Vergleich ist kein “fertiges Foto” sondern nur ein Einzelshot mit und ohne Polfilter. Was wir machen ist, dass wir mit der Kamera auf dem Stativ den Polfilter in verschiedenen Stellen fotografieren. In einer Stellung wird z.B. die Fahrzeugfront ideal von Reflexionen befreit, 30° weiter gedreht kann es sein, dass das Heck die Reflexionen verliert. Nachher muss dann erst alles in Photoshop zusammen gebastelt werden. Das braucht aber noch etwas Zeit.


An so kleinen süßen Spots entlang der Strecke wie im nachfolgenden Steinbruch…
…da können für einen kurzen Stop schnell mal ne Stunde oder sogar zwei Stunden drauf gehen.
Tag 3 war auch schon anfänglich ein Tag für Füllszenen. Wir haben die großen Hauptszenen im Kasten und auch die meisten Fotos haben wir schon auf der Festplatte. Uns geht es jetzt um die Candy-Shots. Die sind halt immer riskant und oder kosten extrem viel Zeit.
Ob es eine Schweizer Flagge in SlowMotion ist oder ein ganz entfernter Baum. Wir suchen ständig nach Material was die gesamten Aufnahmen verfeinert und eben die Stimmung und Atmosphäre rüberbringt.
Besonders wichtig ist mal wieder das Super-Ultra-Tele. Wie schon in Island bin ich mal wieder total erstaunt, wie wichtig ein richtig langes Tele ist. Denn die meisten Motive sind einfach viel zu weit weg. Wir haben 100-400mm auf mft dabei und haben damit effektive 200-800mm und ich hätte es nicht gedacht, aber wir brauchen und nutzen die 400mm echt extrem oft.
Unser Bus hat sich innerhalb von 3 Tagen übrigens in koordiniertes Chaos verwandelt. Jeder weiß zwar wo was liegt und alles hat seine sinnvolle Position bekommen. Trotzdem wirkt alles wie pures Chaos.
Das ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass wir immer andere Kleinigkeiten brauchen. Sei es um das Kabel ans Auto zu tapen oder um das Objektiv von A nach B Kamera zu bekommen.
Wir nehmen extrem viele Außenaufnahmen am Fahrzeug auf. Am Anfang haben wir das noch mit zwei oder gar drei Saugnäpfen gemacht. Zwischenzeitlich nehmen wir nur noch einen Saugnapf und die Kamera wird möglichst bodennah über Kopf positioniert. Wir fahren damit teilweise 100km über kleine Bodenwellen und ich rechne ständig damit, dass sich eine Kamera samt Objektiv verabschiedet. Passiert ist aber noch nix und ich bete, dass es dabei bleibt. Gerade das 8-18mm wäre echt eine Schande zu verlieren.
Wir haben gestern auch festgestellt, dass der Kaffee-Halter im Porsche perfekt für Objektive taugt. 🙂 Man hat davon zwei, einen links und einen rechts.
Womit wir uns heute auch sehr viel beschäftigt haben waren Slider-Aufnahmen. Dabei fährt die Kamera eine kleine Strecke ab und damit kann man einen Parallaxeneffekt erzeugen. Das erzeugt den Eindruck von Tiefe und Dimension und vermittelt deutlich stimmungsvollere Eindrücke.
Dabei nutzen wir weiterhin die externe Aufnahme über den Atomos. An dieser Stelle kann ich auch mal aufklären warum. Wir nehmen die Videos in 10bit auf und mit einem sog. V-Log Profil. Für Fotografen würde ich das folgendermaßen erklären. Wir haben kein RAW-Video aber es kommt viel näher ran als in 8Bit ohne V-Log. Die Kamera gibt das Video mit einem extrem flachen Profil aus. Also in ungefähr so, als würde man den Kontrast in Photoshop auf -100 setzen. Damit stellt man sicher, dass man alle Zeichnung im Bild hat und kann nachträglich den fertigen Look drüber setzen. Die SlowMotionAufnahmen nehmen wir dann sogar “nur” in 8bit auf. Die zwei Bit Unterschied merkt man aber sehr deutlich in der Nachbearbeitung. Gerade wenn es um Autofarben geht.
Da wir extern an einem Recorder aufnehmen, sehen wir das Bild in groß und haben auch direkt unser fertiges Format eingestellt. Wir haben uns entschieden im Cinemascope-Format auszugeben. Das ist 2,32:1. Der Atomos zeigt uns ausgegraut nur unseren Bildinhalt. Das hilft extrem.
Zudem können wir die graue V-Log-Suppe auch “deaktivieren” und uns ein fertiges Grading (das ist die fertige Farbkorrektur) vorsimulieren lassen. Der Recorder zeigt also ein “schönes” Bild obwohl die graue Unkontrast-Suppe im Hintergrund aufgezeichnet wird.
Erstaunlich ist bloß, wie viel Akkus der Recorder säuft. Wir haben 4 große Akkus dabei und wir kommen kaum über den Aufnahmetag damit. Und das sind keine Billigakkus sondern extrem leistungsstarke Zusatzakkus, die wir normalerweise an externen LED-Lichtquellen verwenden.
Das externe Recording ist auch der Grund warum wir immer mit langen HDMI Kabeln rumrennen und teilweise dann die Kabel zurück ins Auto gelegt werden, weil dort die Aufnahme erfolgt.
Und zum Thema Vibrationen möchte ich auch noch etwas sagen. Ja, wir pappen unsere Kamera an den Motor ran und ja, es gibt Vibrationen an Autos. Aber der Aufwand der betrieben werden müsste um Vibrationen komplett zu vermeiden, den können wir einfach nicht gehen. Wir müssen eben mit Können und mit Tricks die Aufnahmen trotzdem in den Kasten bringen.
Nachfolgend sieht man einen tollen Blick entlang des Autos und der eine Saugnapf klebt direkt an der Motorraum-Abdeckung während der untere Saugnapf am Kotflügel hängt. Beides sind keine idealen Positionen. Beide neigen zu Vibrationen gerade mit so vielen PS unter der Haube.
ABER… es gibt keine andere Stelle die gerade genug ist um überhaupt was am Auto anzubringen und der Shot sieht einfach nur genial aus.
Und daher tricksen wir… wir lassen das Auto rollen. Teilweise mit ausgeschaltetem Motor und die Aufnahmen werden nachträglich dann beschleunigt. Oder wir suchen uns eine kleine Stelle raus ohne Vibrationen. Komischerweise nimmt das Zittern kurzzeitig ab, wenn der Wagen stark beschleunigt. Vielleicht durch die G-Kräfte die die Kamera zurück ziehen? Ich weiß es nicht. Wichtig ist, dass wir keine 10h Material brauchen sondern uns reichen 3-4 Sekunden in zwei Schnipseln.
Und genau da wären wir wieder beim Thema Schlamperei. Wenn man immer alles machen möchte, wie man es richtig macht, dann geht man eben oft ohne die Schüsse nach Hause. Weil an den Rahmen des Porsches eine Aufhängung zu schweißen, das würde wir einfach nicht machen wollen.
Außerdem kommt noch dazu, dass die Sensorstabilisierung der GH5 extrem gut mit den Vibrationen umgehen kann. Gerade im Ultra-Weitwinkel bei 8mm ist oft gar kein Wackeln zu erkennen. Viel Schlimmer sind Fliegen und Dreck der von vorne während der Fahrt auf das Objektiv trifft und nicht die Linse beschädigt aber unsere Aufnahme kaputt macht. Wer möchte schon ein Take mit einer toten Fliege im Bild. 🙂
So langsam haben wir uns auch an das Auto gewohnt. Daniel ist ein wahrer Porsche-Meister geworden. Wir fahren den ganzen Tag durch die Passstraßen und müssen uns gegenseitig überholen, zurückfallen lassen, in den schlimmsten Situationen beschleunigen und teilweise gar nicht bremsen, weil wir die Bremslichter nicht im Video haben wollen. Es hat sich herausgestellt, dass die schönsten Stellen der Strecke meistens auch genau die sind, an denen man nicht Vollgas geben möchte, es aber trotzdem für das Video tun muss. Macht Spaß und Angst zugleich…
So sieht übrigens unsere Ladeorgie am Abend aus. Wir haben eine extra kleine Tasche dabei nur für die Ladegeräte und jeden Abend werden unzählige verschiedene Akkus geladen.
Und wer nochmals auf den Gedanken kommt, dass es cool sein könnte ein Handy zur Steuerung von wichtigen Gärten zu nutzen, dem steck ich eigenhändig zwei-drei Ladeblöcke in den Hintern.
Eine ganz lustige Sache ist uns heute aufgefallen. Wir haben nämlich bei unseren Saugnäpfen entdeckt, dass der ROTE RING eben nicht gut ist. Da steht explizit dabei, dass man KEINEN roten Ring sehen darf. 🙂 Also wer hier die Canon-Devise fährt, der hat bald keinen Saugnapf mehr am Auto kleben 🙂
Viele Grüße von Tag 3,
Euer Martin